Der Franz Josef Gletscher und sein Nachbar der Fox Gletscher im Westland Nationalpark sind trotz der abgelegenen Lage beliebte Touristenziele auf der Südinsel Neuseelands. Auch uns zieht es deshalb auf unserer Route an die Westküste. Wir freuen uns auf ein seltenes und einmaliges Gletschererlebnis. Durch unsere Recherchen erfahren wir, dass sich der Fox Gletscher besser für Wanderungen eignet. Der Franz Josef Gletscher ist vor allem dafür bekannt, dass er bis ins Tal fließt. Nirgendwo anders auf der Welt kommen sich Regenwald und Gletscher so nahe. Dieses Naturspektakel wollen auch wir uns nicht entgehen lassen. Vor Ort erleben wir jedoch etwas ganz Anderes als erwartet. Aber der Reihe nach.
Fakten
- Der Gletscher wurde nach dem österreichischen Kaiser Franz Josef I. benannt
- Der Gletscher fließt einen halben Meter pro Tag Richtung Tal
- Zusammen mit dem Fox Gletscher, Mt. Cook Nationalpark, Fiordland Nationalpark und Mt. Aspiring Nationalpark Teil des UNESCO Te Wahipounamu World Heritage Area.
- Er war früher so groß, dass er direkt ins Meer kalbte
- Bis 2012 konnten Besucher direkt auf den Gletscher aufsteigen
- Länge ca. 10 km
- Ausgangsort: Franz Josef Village an der Westküste
- Nachbargletscher zum Fox-Gletscher
Was wir uns erwarten
Obwohl wir als Österreicher Gletscher kennen, wollen wir die beiden Gletscher hautnah erleben. Wir wollen einige der zahlreichen Wanderungen unternehmen und direkt zu den Gletschern gelangen. Wir freuen uns auf ein wahres Naturerlebnis, wo der Franz Josef Gletscher auf den subtropischen Regenwald trifft.
Die Realität
Als wir zunächst am Fox Gletscher ankommen, wundern wir uns über die Absperrungen. Wir erfahren, dass vor einigen Wochen eine große Mure abgegangen ist und eine wichtige Straße längerfristig verschüttet hat. Zudem sind viele der berühmten Wanderrouten geschlossen. Wir versuchen unser Glück auf einer verbleibenden Straße, welche allerdings für Camper gesperrt ist. Wir haben Pech. Das war’s mit dem Weg zum Gletscher. Unsere Pläne sind durchkreuzt. Hier spüren wir hautnah, dass die Westküste von Neuseelands Südinsel zu den regenreichsten Gebieten der Welt zählt. Nach einem kurzen Besuch beim berühmten Lake Matheson mit seinen Gebirgsspiegelungen im See und einem Krisengespräch entscheiden wir uns direkt zum Franz Josef Gletscher weiterzufahren, da das Wetter nicht sonderlich zum Verweilen einlädt. Nach einer kurzen Fahrt erreichen wir das Dorf Franz Josef Village. Der Tourismus boomt. Das kleine Dorf ist voller Tourbusse, Cafes und Restaurants.
Hubschrauberalarm
Nachdem wir aus dem Camper aussteigen, hören wir das unüberhörbare Surren über unseren Köpfen. Wir entdecken überall Hubschrauber, die im Minutentakt Richtung Franz Josef Gletscher aufbrechen. In diesem Moment nehmen wir die Werbeschilder zahlreicher Tourenanbieter für Hubschrauberflüge wahr. „Interessant“ denken wir uns, schenken der Sache aber nicht weiter Beachtung. Wir decken uns in einem kleinen Supermarkt mit Lebensmitteln ein und suchen unseren Campingplatz. Wir ergattern einen Stellplatz mit direktem Blick auf den Franz Josef Gletscher. Was für ein Anblick. Dieser atemberaubende Moment wird aber bald wieder durch das Surren der Hubschrauber gestört. „Das kann doch nicht normal sein“, denken wir uns. Unser Interesse an dem Hintergrund ist geweckt.
Auf zum Franz Josef Gletscher
Am nächsten Tag ist für uns klar: wir wollen direkt zum Gletscher. Aufgrund des instabilen Wetters entscheiden wir uns für eine kleine gut besuchte Wanderung direkt zum Fuße des Gletschers, welche sich aber dann doch eher als Spaziergang auf einem breit ausgebautem Weg entpuppt. Wir sind in unseren Wanderoutfits eher overdressed. Wir kommen zur ersten Informationstafel, die ein den Gletscher zeigt und einen ersten Blick ermöglicht. Uns stockt der Atem. Das soll er sein? Das ist der berühmte Franz Josef Gletscher? Oder besser gesagt, das was von ihm übrig ist. Es hinterlässt ein mulmiges Gefühl, wenn man so direkt mit den Auswirkungen der globalen Erwärmung konfrontiert wird. Neuseeland wirbt mit seiner wilden, ungezähmten Natur – aber auch hier werden Veränderungen massiv sichtbar. Die Fotos, die wir hier entlang der Wanderung machen, unterscheiden sich stark von den Bildern, die wir vor unserer Anreise im Kopf hatten. Aber schau selbst.
Ein bizarres Erlebnis
Und jetzt kommt das für uns komplett Unglaubliche. Entlang der Wanderung stehen zahlreiche Hinweis- und Informationstafeln des Department of Conservation (DOC) zum Thema Klimawandel und was man dagegen tun kann. Eine an sich gute Sache. Jedoch brummen rund um die Uhr Hubschrauber über unseren Köpfen, während wir die Informationstafeln zum Thema Klimawandel lesen. All die Touristen, die sich kontinuierlich auf den Gletscher fliegen lassen, können diese Tafeln leider nicht lesen.
Wir sind erschüttert und fasziniert: Durch den Klimawandel wurde es zu gefährlich, die Gletscherzunge zu betreten. Daher ist dieser Zugang zum Gletscher seit 2012 gesperrt. Also tauchte als Alternative der Hubschrauber auf. Der Gedanke ist einfach: Wenn der einfache Zugang von unten nicht mehr möglich ist, müssen die Touristen eben zum Gletscher gebracht/geflogen werden. Touristen geben hier oft mehr 200€/Kopf aus, um die Schönheit des Gletschers und die Folgen der globalen Erwärmung von oben anzusehen und um einen der letzten großen Gletscher Neuseelands zu erleben, solange es ihn noch gibt.
Anpassung an den Klimawandel?
Weltweit werden Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel diskutiert. Ob mit solchen Maßnahmen gemeint war, dass man Touristen per Hubschrauber auf den Gletscher bringt? Wohl kaum. Für uns ist das ein klassisches Beispiel, wie schwierig das Thema Klimawandelanpassung zu behandeln ist. Es ist für uns offensichtlich, dass der südliche Teil der Westküste von den beiden Gletschern ökonomisch abhängig ist. Bis zu 6000 Besucher täglich bzw. bis zu 750.000 Besucher pro Jahr sind ein wichtiger regionaler Wirtschaftsfaktor. Es ist klar, dass die örtliche Bevölkerung und die lokalen Anbieter alles dafür tun müssen, um sich ihren Lebensunterhalt zu sichern.
Allerdings sehen wir auch die Grenzen: Hubschrauberflüge sind teuer und durch oft schlechtes Wetter nicht möglich. Die Gletscher ziehen sich immer weiter zurück, und die Wanderungen am Fuße des Gletschers bieten oft keinen Gletscherblick mehr. Hubschrauberflüge können auch von der Ostseite viel einfacher durchgeführt werden. Noch finden sich genügend Touristen, die den hohen Preis für das Hubschraubererlebnis bezahlen. Aber wir fragen uns: Wie sieht es wohl in 5 oder 10 Jahren aus? Ab wann werden sich die Touristen fragen, wie nachhaltig es wohl ist, per Hubschrauber die letzten Gletscherfelder Neuseelands zu erkunden? Die Lösung ist aus unserer Sicht keine Lösung – sondern nur eine zeitweilige Anpassung, die ökologisch höchst bedenklich ist und eigentlich den Gedanken an Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel pervertieren.
Unser Fazit zum Franz Josef Gletscher
Die Gletscher sind ein wichtiger Bestandteil der Naturkulisse Neuseelands. Für Menschen, die in ihrer Heimat keinen Zugang zu Gletschern haben, ist dies eine tolle Möglichkeit einen Gletscher hautnah zu erleben. Auch für uns als Österreicher ist trotzdem ein fester Bestandteil unserer Route: Wir lieben Naturerlebnisse.
Unser Besuch beim Franz-Josef Gletscher wirft für uns aber eine klare Frage auf: Wie weit darf und soll die touristische Erschließung und Vermarktung der Natur gehen? Ist es nicht ausreichend, wenn erfahrene Wanderer und Bergsteiger stundenlange Wanderungen bis an den Rand des Gletschers unternehmen können und zusätzlich ein leicht begehbares Wegenetz für jedermann an den Fuße des Gletschers bzw. was von ihm übrig ist zur Verfügung steht? Welche Grenzen sollen und müssen dem Tourismus gesetzt werden?
Die Masse an Hubschrauberflügen auf den Gletscher und das damit verbundene konstante Hintergrundbrummen führen uns die Antwort drastisch vor Augen: Wir sind erschüttert und wollen nicht Teil eines solchen Tourismus sein. Dieses Erlebnis hinterlässt einen negativen Eindruck bei uns, da Neuseeland mit seinen Naturjuwelen und seinem Schutz der Natur wirbt. Dies ist für uns so nicht vereinbar.
Eine schöne Alternative stellt für uns der Mount Cook Nationalpark dar, wo wir uns die Gletscher erwandern konnten, ohne durch Hubschraubergeräusche beschallt zu werden.
Hier sollte sich unserer Meinung nach jeder Tourist selbst die Frage stellen: Kann ich mich umweltbewusst nennen, wenn ich auf den schmelzenden Gletscher fliege nur um mir den Gletscher und die Folgen des Klimawandels genauer anzusehen!? Wir finden: Schutz bedeutet manchmal auch Verzicht!
3 Kommentare
In Bezug auf die Klimakrise ist ein Flug nach Neuseeland um ein vielfaches schädlicher als eine kurze Hubschrauberrunde.
Insofern werden hier Krokodilstränen vergossen.
Wenn man es mit dem Klimaschutz wirklich ernst meint, sind touristische Fernflüge ein Nogo.
Lieber Rainer,
Vielen Dank für deinen Kommentar. Das sehen wir grundsätzlich genau so wie du. Du hast vollkommen Recht. Deshalb versuchen möglichst lange an einem Ort zu bleiben und haben seit dieser Reise keine Flugreise mehr unternommen. Aus unserer Sicht sind touristische Fernreisen für wenige Wochen zu günstigen Preisen wie in den letzten 10-20 Jahren vermutlich ohnehin bald vorbei. Zwei Wochen Thailand oder Karibik sind Gift für den Klimaschutz.
Dennoch sollte das Beispiel diese Doppelmoral an einem ganz konkreten Beispiel unterstreichen. Das Verhalten, um diesen Ort zu besuchen, zerstört diesen zugleich.
Hallo, sehr schöne Bilder. Ganz toll erzählt. Der Franz Joseph Gletscher ist ein herrausragendes Beispiel für die Erschließung der Natur auch wenn es mittels Hubschrauber passiert. Ich denke mal, dass Gondeln auf der anderen Seite eine Mehrbelastung an Wanderern mit sich bringen würden. Wenn die Gegend vom Tourismus lebt, wäre eine dementsprechende Balance zu finden, aber mit Naturschutz zu werben und es dann nicht zu tun…. Ich bin da ganz eurer Meinung, schade dass der negative Eindruck bleibt. Dennoch tolle Bilder und ein ehrlicher Blog. Danke dafür.